Dienstag, 26. August 2014

Der Berliner Mauerweg - Radtour in 3 Etappen

"Der Idealist geht glatt durch Mauern und stößt sich wund an der Luft."

                                                                                        -Alfred Polgar-


28 Jahre lang (vom 13.8.61 - 9.11.89) umschloß die DDR-Grenzanlage Westberlin hermetisch. An der etwa 160 km langen Mauer fanden zahlreiche Menschen den Tod (die genaue Zahl ist unbekannt).
Heute führt über die 160 Kilometer ein gut ausgebauter Radweg entlang. Genau diesen folgten wir über 3 Tage mit Beginn & Ende jeweils am Brandenburger Tor.

mit: TommyGun

Navigation: Radwanderkarte "Berliner Mauerweg", Handy-Navi, Schilder, weiße Pfeile auf Asphalt und die uns nun bekannte Doppelkopfsteinpflasterlinie

Tag 1 - 23.8.2014

Der Tag begann schonmal sonnig, perfekt! 8Uhr fuhren wir samt den Rädern mit dem Zug bis Berlin/Hbf. Ungefähr halb 10 startete dann unsere Mauertour am Brandenburger Tor, also berlinzentral.


Sekundenspäter befanden wir uns bereits beim Holocaust - Memorial. Zwischen genau 2711 Betonquadern verschafften wir uns einen Überblick. Konzept und Realisierung, als Mahnmal für die während der NS-Zeit ermordeten Juden Europas, überzeugten mich sehr.




Im Anschluß kreuzten wir im wahrsten Sinne den Potsdamer Platz. Überproportional, großzügig heute gestaltet, fanden wir Mauerreste auf der einen Seite und in der Erna-Berger-Straße einen alten DDR-Grenzturm auf der anderen Seite des zentralen Platzes. Zudem klären Informationsstelen immer wieder den geneigten Besucher über den Verlauf der Mauer und den dazugehörigen historischen Begebenheiten auf.




Erst jetzt entdeckten wir beim Weiterradeln die nach dem Mauerfall angelegten Kopfsteinpflasterlinien, die zumindest teilweise in Berlin selbst, den Verlauf der Grenze genau folgen. Uns half dies enorm, vor allem im turbulenten Straßenwirrwarr Berlins.


Im Bereich Niederkirchner- und Zimmerstraße fiel uns das Gelände "Topographie des Terrors" auf. Ob der "David Bowie - Ausstellung" wegen, herrschte hier großer Besucherandrang. 200 m Originalmauer können bestaunt werden. Wir wunderten uns ein wenig, wie dünn dieselbe doch war, aber im Grunde zum Überwinden dann doch unerheblich.


Der international bekannte Checkpoint Charlie an der Kreuzung Friedrichstraße - Zimmerstraße belustigte uns etwas, weil hier Massen an Touristen sichtlich Spaß daran hatten, sich mit amerikanischen GI`s fotografieren zu lassen. Als einer DER Grenzübergänge fungierte dieser allierte Kontrollpunkt vornehmlich als Übergang von Ausländern, DDR-Funktionären usw..


Einer kurzer Halt bei der "Balance-Akt" - Skulptur am Axel-Springer-Verlag und schon trudelten wir weiter durch die Straßen Berlins.



An einzelne Maueropfer erinnern die stetig auftretenden orangenen Säulen an den entsprechenden Fluchtpunkten. Eindrucksvolle, teils aber auch ziemlich idiotische Fluchtversuche zu damaligen Zeiten sind hier in Wort und Bild übersichtlich geschildert.
Im Zickzackkurs gings weiter Richtung Friedrichshain / Kreuzberg, wir überquerten die Spree und stoppten als Nächstes an der East Side Gallery.


Dieses berühmte Open Air-Gelände, bemalt und besprüht von über 100 internationalen Künstlern, zeigt mitunter eindrucksvoll, wie mit Geschichte kurzweilig umgegangen werden kann.
Die Fahrräder abgestellt, schlenderten wir ein wenig an der Gallerie entlang und inspizierten die verschiedenen Kunstwerke.










Die Spree passierten wir abermals, jetzt via der schicken Oberbaumbrücke. Historisches hierzu ließen wir beiseite, denn wir hatten ja noch ein ordentliches Stück Weg vor uns.


Für uns galt es nun, an Kilometer dazuzugewinnen,sprich: dem zügigen Passieren des Landwehrkanals, am Flutgraben entlang, vorbei an Kreuzberg, Neukölln bis nach Treptow.
Der durch den gleichnamigen Film berühmten Sonnenallee gewannen wir nicht viel ab, vielleicht muß man sich hier einfach abseits des Mauerweges mehr umschauen.
Bei der Kleingartenanlage Fortuna im Treptower Stadtbezirk fanden wir das Denkmal für gleich 15 Maueropfer, die alle allein in diesem Grenzabschnitt bei der Flucht den Tod fanden.


An Chris Gueffroy, bekannt als letzter Mauerflüchtling (1989!!), erinnert ebenso eine Stele direkt am Britzer Zweigkanal.


Mit 13 Kilometern folgten wir entlang der A113 den größten Abschnitt der ehemaligen Mauer in Treptow.
Viele Läufer, viele Radler und Sonne satt.



Den alten Grenzübergang Waltersdorfer Chaussee hinterlassend, erlebten wir folglich einen Wechsel von Wald & Flur mit verschiedenen Wohngebieten in Rudow, Buckow, Lichtenrade, Marienfelde und schließlich Lichterfelde.
Fluchtversuche gab es auch hier allerorts der Grenze. Daran erinnern weiter die Stelen, Denkmäler und Skulpturen.


Kaffee und Eis bei einem lotterigen Italiener sollten uns gegönnt sein, bevor wir die letzten Kilometer der heutigen Tagesetappe absolvierten.
Gut, daß wir eine hervorragende Karte dabeihatten, da die Beschilderung hier im südlichen Berlin teils zu wünschen übrig ließ.
Unser Trip führte uns weiter durch stille Natur. Eine Bank mitten auf einem abgeernteten Feld lud zum Verweilen ein. Spuren der Mauerzeit sind hier eher spärlich vorhanden, die abrupte Kante Stadt - Feld/Natur/Wald läßt einem aber den ungefähren Mauerverlauf erahnen.








Nahe Lichterfelde stießen wir auf die von japanischen Bürgern gestiftete größte aller Kirschbaumalleen. Man erahnt, wie toll diese Allee im Frühjahr aussehen mag. Im Wechsel von ehemals DDR-Gebiet und der Westberlinseite kamen wir zum Teltowkanal, erhaschten einen Blick hinüber und erreichten bald unser Tagesziel Kleinmachnow.








Vor dem Check-In im wirklich guten Motel One, hielten wir am Grenzübergang Drewitz. Grenzanlagen und der dazugehörige Verkehr vermitteln heute sicher eine völlig andere Atmosphäre.















Zuguterletzt gab ein Restaurantbesuch bei einem nun kongenialen Italiener in Kleinmachnow den rundum gelungenen Tag. Geocaching überraschte uns zudem noch zufällig dieses Stück Mauerrest zu finden:



81 km (mit Abstecher) waren schonmal geschafft.

Tag 2 - 24.8.2014

Ausschlafen bis 8, sehr gutes Frühstück und wir befanden uns wieder rasch auf dem Mauerweg.
Zunächst zog es uns nochmal zurück zum Drewitz-Grenzübergang, weil wir dort zum sowjetischen Panzerdenkmal wollten (gut von der Brücke zu erkennen). Statt des Panzers findet man heutzutage aber im leidigen Rosa eine Schneefräse sowjetischer Bauart vor.


Waldwärts bewegten wir uns dann bis zum Griebnitzsee. Die Route vollzog sich nun durch Babelsberg/Potsdam, durch teure, schicke Wohngegenden.
Bei bestem Wetter blickten wir hinüber zum Schloß Babelsberg und gelangten via der Königsstraße zur Glienicker Brücke.



Als Agentenbrücke schlechthin bekannt, überspannt sie die Havel und verbindet Potsdam mit Berlin.















In Wannsee angekommen, lohnte sich für uns ein Schlenker zur Max-Liebermann-Villa und anschließend ein Besuch des Hauses der Wannseekonferenz.
Auf knarzendem Parkettboden bekommt man einen hervorragenden Überblick zur Geschichte des Holocausts.



Mit der Fähre wechselten wir um die Mittagszeit unter größerem touristischem Aufkommen, die Uferseite von Wannsee nach Kladow und fuhren behände an der Havel weiter.


Auch heute hielten wir interessiert bei den verschiedenen Opfelstelen.
Der weitere Mauerverlauf vollzog sich mitten auf dem Groß Glienicker See, welchen wir ostseitig umfuhren. Mauerreste sind auch hier am ehemaligen DDR-Ufer zu finden. Über das Gutsgelände bei Groß Glienicke hinweg, radelten wir bis nach Gatow.


Kräftig in die Pedalen treten, denn der Hahneberg mußte genommen werden, Berlin Spandau am rechten Horizont und schon erreichten wir den Grenzübergang Staaken.


Kindheitserinnerungen wurden geweckt, als wir `89 mit unseren Eltern erstmalig in den "goldenen" Westen durften.
Interessant fand ich die Information zur Franziskuskirche, die vom DDR-Regime abgerissen wurde, da sich dieselbe im unmittelbaren Grenzbereich befand. Entsprechendes Aufbegehren wurde natürlich im Keim erstickt.




Danach fuhren wir ein ganzes Stückchen durch den Spandauer Forst. Unwillige Fußgänger hätten wir beinahe umgekachelt, bis uns die Geschichte eines 12-jährigen Jungen überraschte, welcher in der sogenannten Exklave "Eiskeller" durch heimliches Schuleschwänzen für folgenreiche Aktionen sorgte.


Ein alter Wachturm in Nieder-Neuendorf bei Hennigsdorf dient heute als frei zugängliches kleines, liebevoll gestaltetes Museum und erzählt über die Begebenheiten dort, während der Zeit der Teilung.




Wir verzeichneten heute zufrieden etwa 70 km. Im Hotel Henningsdorfer Hof sollte genächtigt werden. Zuvor aber kehrten wir noch hungrig in einem griechischen Restaurant ein. Jámas!

Tag 3 - 25.8.2014

Durch recht frühes Aufstehen rollten wir bereits um halb 8 bei wunderbarer Morgenstimmung voller Elan los. Zunächst zurück zum Havelkanal, dann durch die schöne idyllische Stolper Heide, wo Rehgetier unseren Weg kreuzte.


Hier hatten wir teilweise mit ruppigen Untergrund zu tun. Ordentliche Steigungen zehrten auch gleich an unserem morgendlichen Energiehaushalt.


Wiedereinmal wechselten wir die Grenzseite und befanden uns alsbald in der sogenannten Invalidensiedlung in Hohen Neuendorf. Diese baulich auffällige Siedlung galt ursprünglich dem angepaßten Wohnen von Kriegsversehrten des 1. Weltkrieges.


Etwas weiter ließ man erneut einen Grenzwachturm am ehemaligen Mauerstreifen im Berliner Forst stehen. Heute wird selbiger als Naturschutzzentrum der ortsansässigen Waldjugend genutzt.


Durch Wald und Flur umfuhren wir den Hubertussee und bewegten uns allmählich Richtung Berlin südwärts.
Eigentlich gäbe es ein Stückchen weiter den Checkpoint Qualitz, den wir jedoch unbemerkt zurückließen.


Nahe Berlin / Reinickendorf, in Wilhelmsruh, galt unser Augenmerk nun dem sowjetischen Ehrenmal im dortigen Volkspark. Diese großzügig angelegte Gedenkstätte widmet sich etwa 13000 gefallenen Soldaten der Roten Armee. Im Zentrum dessen gibt es außerdem die Skulptur "Eine russische Mutter beweint ihren gefallenen Sohn" zu besichtigen.








Weitere japanische Kirschalleen fanden wir auf dem Kolonnenweg und allmählich zeigte sich zwischen dem Hauptstadtbeton der Berliner Fernsehturm am Horizont. Das Ziel unserer Radtour sollte demnach nicht mehr weit sein.




Relativ flott passierten wir den Mauerpark, umfuhren falsch die Max-Schmeling-Halle und erreichten prompt wieder richtig, die Bernauer Straße nahe Berlin / Gesundbrunnen.
Abermals hieß es Obacht geben, den Mauerverlauf im Berliner Straßenverkehr korrekt zu folgen und nicht gleichzeitig von Fahrradnazis "mitgenommen" zu werden.
Beim Areal "Gedenkstätte Berliner Mauer" ließen wir uns Zeit, schließlich galt es hier, viel zu entdecken.















Touristen aus aller Welt tummelten sich um Mauerreste, Denkmäler, Infotafeln, Fluchtpunkten bis hin zur Kapelle der Versöhnung.
















Über den Invalidenfriedhof zog es uns weiter. Erneut ein erhaltener Grenzturm am Spandauer Schiffskanal und schon erreichten wir das neue Regierungsviertel mit all seinen Schnickschnack in Mitte.



Das Brandenburger Tor bildete letztlich den Schlußpunkt einer äußerst abwechslungsreichen, informativen Radtour auf dem Berliner Mauerweg.
Entspannt über die 3 Sommertage im August, absolvierten wir im Gesamten 203 Kilometer (jegliche Abstecher mit inkludiert).